Die nachhaltige Entwicklung der Berggebiete / Andermatt 11.10.02

Die nachhaltige Entwicklung der Berggebiete in der politischen Agenda Zusammenkunft in Andermatt vom 11. und 12. Oktober 2002 Eröffnung durch Herrn Jean-Jacques Rey-Bellet, Vizepräsident der Walliser Regierung und des Vereins Berge 2002 Es freut mich, als Vizepräsident des Vereins Berge 2002 , Vizepräsident der Walliser Regierung und als Vorsteher des Departementes für Verkehr, Bau und Umwelt des Kantons Wallis diese Tagung mit dem Thema "die nachhaltige Entwicklung der Berggebiete in der politischen Agenda" anlässlich des internationalen Jahres der Berge, zu eröffnen. Einleitung Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung ist heutzutage allen bekannt. Auf internationaler Ebene wurde dieses Konzept durch die Weltkommission für Umwelt, sogenannte Brundtland-Kommission 1987, definiert und danach beim Weltgipfeltreffen der Erde in Rio 1992 durch die Medien bekannt gemacht. In unserem Land, hat der Palast des Gleichgewichtes, der an der nationalen Expo auf der Arteplage von Neuenburg präsentiert wird, den Begriff der nachhaltigen Entwicklung der Allgemeinheit näher gebracht. Dieser Grundsatz wurde in die neue Bundesverfassung vom Dezember 1998 eingeführt, die in ihrer Präambel stipuliert, dass das Schweizer Volk und die Kantone verpflichtet sind, die Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen zuzusichern. Artikel 2 enthält den höheren Zweck des Bundes, der unter anderem darin besteht, "die nachhaltige Entwicklung zu fördern" und "sich für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen einzusetzen". Schliesslich bestimmt Artikel 73 unter dem Titel nachhaltige Entwicklung:"Bund und Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen andererseits an". Mehrere Kantone und Gemeinden unseres Landes haben durch die Umsetzung der Agenda 21 die nachhaltige Entwicklung in ihre politischen Aktionen eingebunden oder sind dabei dies zu tun. Die Vergangenheit Die nachhaltige Entwicklung ist jedoch keineswegs etwas Neues. So wird der Gebirgswald seit langem nach diesem Grundsatz bewirtschaftet. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Wälder der Berggebiete in der Tat wegen des grossen Holzbedarfs bei den Eisenbahnen, Minen, der Industrie, dem Bauwesen, für das Kochen der Nahrungsmittel und Beheizen der Wohnhäuser kahlgeschlagen. Zudem fanden Übernutzungen der Wälder für den Weidgang (insbesondere die Ziegenhaltung) und das Streusammeln statt. Zwischen 1830 und 1860 ereigneten sich zahlreiche Naturkatastrophen, die im Alpenraum viele Opfer forderten. Demzufolge liess der Bundesrat einen Bericht erarbeiten, um den Zustand der Schweizer Bergwälder besser zu kennen und die entsprechenden Sicherheitsmassnahmen zu bestimmen. Die Schlussfolgerungen dieser Arbeit wurden 1862 eingereicht (Bericht Elias Landolt). 1868 ereigneten sich Überschwemmungen, die in der Schweiz mehr als 50 Todesopfer forderten. Die Übernutzung der Wälder wurde als die Hauptursache dieser katastrophalen Ereignisse betrachtet. Das Bundesparlament erarbeitete danach 1876 ein Waldgesetz, das den Grundsatz "der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder" einsetzte. Das neue Gesetz von 1902 wird den Begriff "nachhaltige Bewirtschaftung" einführen. Seit diesem Tag wird der Schweizer Wald nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung bewirtschaftet. Wenn sich der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung auch seit mehr als einem Jahrhundert bei der Waldbewirtschaftung durchgesetzt hat, so ist dies leider nicht immer der Fall in anderen Wirtschaftsbereichen. So wurde der am Ende des zweiten Weltkrieges anlaufende Massentourismus durch ein paar Promotoren betrieben, die nur den wirtschaftlichen Ertrag suchten, das heisst, raschmöglichst beträchtliche Gewinne einzustreichen. Die Ergebnisse einer solchen Politik sind heute noch im Gelände sichtbar. Alpenlandschaften, die durch die unangemessene Aufstellung von Luftseilbahnen und die Erstellung von Feriendörfern verschandelt wurden, die keinem architektonischen Konzept mehr entsprechen. Angesichts einer solchen Unordnung reagierte die Behörde; es wurden Gesetzestexte erarbeitet, um bei den Entwicklungsprojekten und bedeutenden Bauten dem allgemeinen Interesse besser Rechnung zu tragen: Gesetz über den Natur- und Heimatschutz von 1966, Raumplanungsgesetz von 1978, Umweltschutzgesetz von 1983. Der Wirtschaft stand dann die Oekologie gegenüber. Die von den Naturschutzorganisationen geschwungene Waffe ist die Einreichung einer Beschwerde, ein 1966 erworbenes Recht. Mehrere Bauprojekte werden blockiert; zwischen den Naturschützern und den Promotoren werden energische Töne angeschlagen. Heute Glücklicherweise sieht es heute nicht mehr so aus. Die Promotoren und lokalen Entscheidungsträger haben begriffen, dass eine unversehrte Landschaft und natürliche Reichtümer die besten und unersetzbaren Trümpfe für die Attraktivität des Alpengebietes sind. Das Gebirge ist eine empfindliche Umgebung, die eine ungeplante rasche Entwicklung schwer erträgt. Das Berggebiet ist auch das Wasserschloss der Siedlungsräume, eine ruhige Region, die oft vor Verschmutzungen geschützt ist, ein idealer Ferien- und Erholungsort. Heutzutage werden die Entwicklungsprojekte besser studiert. Ihre Auswirkung auf die Umwelt wird objektiv beurteilt. Der Dialog zwischen Naturschützern und Promotoren scheint fest verankert. Die allgemeinen Bauvorhaben können zu Ende geführt werden, ohne dass sie durch ein Beschwerdeverfahren blockiert werden. So kann man feststellen, dass der Begriff der nachhaltigen Entwicklung, der in den Geistern überhand genommen hat, den scheinbar unausweichlichen Gegensatz zwischen Wirtschaft und Oekologie zerschlagen hat. Der Kampf zielt nicht mehr darauf ab, alles im Namen des Umweltschutzes oder des wirtschaftlichen Ertrages zu fördern, sondern Bauvorhaben ausgewogen zu gestalten, wo die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekte gleichgewichtet sind. Morgen Somit gilt es nach wie vor, in derselben Richtung weiterzugehen und alle Teilhaber an der Entwicklung zu überzeugen, dass die Bewirtschaftung der Berggebiete vor allem die Nachhaltigkeit zum Ziel haben muss. Wir sind der Auffassung, dass zahlreiche Aktionen ins Auge gefasst und vorgenommen werden können, um den Willen der Berggebiete, ihre Umwelt nach dem Nachhaltigkeitsprinzip zu bewirtschaften, aufzuzeigen und zu konkretisieren. Es ist hier bei dieser Eröffnung nicht meine Aufgabe, davon einen Katalog zu erstellen, sondern ohne Anspruch folgende Überlegungsachsen aufzuzeigen: * Auf internationaler Ebene: - Es gilt, die Kontakte mit den übrigen Gebirgsländern weiterhin zu knüpfen und zu verstärken. Die Schweiz unterstützt bereits technische Kooperationsprojekte mit dem Nepal, mit Kirghizistan, Bhutan, Peru, Bolivien und Ecuador. Was beispielsweise das Wallis angeht, so haben wir mit Bhutan Kontakte geknüpft und pflegen den gegenseitigen Austausch. - Es ist dringend notwendig, in den internationalen Vereinbarungen das Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Aspekten zu fördern, welches auch immer der erste Zweck dieser Vereinbarungen sein mag. * Auf nationaler Ebene: - Der Bund muss eine Solidaritätspolitik betreiben, welche die Berggebiete unterstützt, was heute nicht der Fall ist. Das Konzept der Regionalpolitik der Schweiz gibt die Priorität den Zentralregionen, d.h. den Städten. Diese Ausrichtung ist gefährlich ja sogar tödlich für die Berggebiete, die von Natur aus empfindlich sind. Somit gilt es, dass die betroffenen Kantone sich voll dafür einsetzen, damit die Investitionshilfe für die Berggebiete erhalten und verstärkt wird und dort die dauerhaften und hoch qualifizierten wirtschaftlichen und touristischen Tätigkeiten gefördert werden. - Die den Kriterien der nachhaltigen Entwicklung entsprechenden privaten und öffentlichen Aktionen sollen unterstützt werden. Die Strategie 2002 für die nachhaltige Entwicklung des Bundesrates vom März 2002, zeigt, dass die eidgenössische Exekutive gewillt ist, in dieser Richtung tätig zu sein. * Auf kantonaler und lokaler Ebene: - Wie der Bund, sind die Kantone und Gemeinden verpflichtet, das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung in ihre Politik und in ihre Aktionen einzubeziehen. - Dabei ist ein weitgehend partizipatives Vorgehen bei der Erarbeitung der Agendas 21 besonders wichtig, weil es einer beträchtlichen Zahl von Personen ermöglicht, zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung Überlegungen beizusteuern und für die Allgemeinheit aber auch für sich selber Aktionen zu beschliessen, die daraus entstehen. Kurz und gut: an Herausforderungen fehlt es nicht. Die Qualität der hier anwesenden Personen lassen mich bereits daran glauben, dass, auch wenn hier nicht alle Lösungen gefunden werden können, auf diese Zusammenkunft wesentliche Fortschritte folgen sollten. Das Hinsteuern auf ein Ziel setzt eine Richtung, und Schritte dahin voraus. Die Richtung kennen wir, machen wir gemeinsam diese Schritte!
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